Vor wenigen Tagen hiess es für Newa Campagiorni, Leiterin Garten und Gebäude, Abschied nehmen. Nach 17 Jahren hatte sie ihren letzten Arbeitstag im Drahtzug und trat ihren wohlverdienten Ruhestand an. Gemeinsam mit uns hat sie noch einmal auf die lange, bewegte Zeit zurückgeschaut und von ihren Eindrücken, Erlebnissen, Zielen und Visionen erzählt.
17 Jahre sind vergangen seit Ihrem ersten Arbeitstag im Drahtzug…
Eine lange Zeit! Damals bin ich eingestiegen als Gruppenleiterin in der Landschaftspflege. Das Team zählte nur rund sieben Mitarbeitende. Unser «Stützpunkt» befand sich zu dem Zeitpunkt im Souterrain der Psychiatrischen Universitätsklinik PUK und wir hatte noch praktisch keine eigene Infrastruktur – ausser ein paar Schaufeln und einer Schubkarre. Das waren wirklich noch andere Zeiten. Tätig waren wir in erster Linie für die PUK selbst und übernahmen einzelne kleinere Aufträge für die Stadt.
Wie ging es dann weiter?
Das Tätigkeitsfeld hat sich Schritt für Schritt entwickelt und ist dank unseren Bemühungen stetig gewachsen. Unser Kunden-Portfolio wurde grösser und wir begannen, auch für Privatkundinnen und Privatkunden Aufträge zu realisieren. Mit mir wurde dann die erste Drahtzug-Geschäftsfeldleitung kreiert, quasi als Sonderfunktion zwischen der Gruppen- und der Spartenleitung. Vor sieben Jahren übernahm ich zusätzlich den Betriebsunterhalt – und wurde zur Spartenleiterin Garten und Gebäude befördert.
Waren Sie eigentlich schon immer in der Landschaftspflege tätig?
Nein, ich habe einen ziemlich facettenreichen beruflichen Hintergrund. Ursprünglich absolvierte ich eine Ausbildung zur Fotolithografin. Mit 22 Jahren wagte ich einen Wechsel, ging nach Paris und machte dort ein theologisches Studium. Wieder zurück in der Schweiz nahm ich verschiedene Projekte in Angriff, engagierte mich in der Jugendarbeit und liess mich später noch zur Huf- und Klauenschneiderin ausbilden. Zusammen mit einem Tierarzt gründete ich die erste Hufklinik der Schweiz. Die Natur faszinierte mich schon immer, weshalb ich dann im Laufe der Jahre auch noch den Lehrgang Naturnaher Garten- und Landschaftsbau an der ZHAW sowie die Ausbildung zur Eidg. dipl. Natur- und Umweltfachfrau in Biel absolvierte. Und dann? Dann landete ich vor 17 Jahren über einen Freund beim Drahtzug. Und bin bis heute geblieben.
Was hat sich an der Arbeit im Drahtzug seitdem verändert?
Ganz generell fand ein Wandel statt in Bezug auf die Art und Weise, wie wir unsere Arbeit dokumentieren. Früher haben wir interne Vorkommnisse, Krisensituationen oder Erfolgsmomente unserer Mitarbeitenden wie auf einer Schriftrolle als Verlaufsprotokoll notiert. Diese Protokolle waren nicht sehr hilfreich, da sie als «Endlosschleife» unübersichtlich und schlecht zu lesen waren. Heute nimmt die umfassende Dokumentation viel mehr Raum ein. Einerseits wird sie vom Kanton gefordert und ist auch für unsere Zusammenarbeit mit Behörden, Ärzten und Kliniken von Bedeutung. Andererseits setzen wir auch bei unseren Mitarbeitenden verstärkt auf regelmässige Evaluationen und persönliche Zieldefinitionen, die klar festgehalten werden.
Welche Veränderungen haben Sie speziell in Ihrer Sparte wahrgenommen?
Im Grunde sind der Garten- und der Betriebsunterhalt noch heute das, was sie früher waren. An unserer Arbeit an sich hat sich gar nicht so viel verändert. Doch wir selbst sind deutlich professioneller geworden, haben heute mehrere ausgebildete, erfahrene Gärtner im Team, einen eigenen Standort, drei Fahrzeuge, moderne Geräte und viel mehr Kapazitäten. Ähnlich sieht es im Betriebsunterhalt aus. Wir fingen an mit internen Facility Services und übernehmen heute auch externe Aufträge. Wir bieten wirklich eine hochprofessionelle Qualität, gehen für unsere Kunden gerne die Extrameile und das widerspiegelt sich auch in unserer guten Auftragslage. Manche Kundenbeziehungen haben sich im Laufe der Jahre vom Mini-Job zum jährlichen Grossauftrag entwickelt. Das ist natürlich super. Aber manchmal auch sehr herausfordernd, da unsere Mitarbeitenden und Lernenden mit psychischer Beeinträchtigung nicht immer stabil und voll belastbar sind.
Sie arbeiteten mit ganz unterschiedlichen Anspruchsgruppen zusammen. Wie haben Sie das erlebt?
Das interdisziplinäre Arbeiten mit unseren Mitarbeitenden, Kunden, Psychiatern, Behörden und Kliniken empfand ich als sehr motivierend. Mein Ziel war es, jeden Mitarbeitenden dort einzusetzen, wo er oder sie stark ist. Und zugleich für jeden Kunden den zuständigen Gruppenleiter auszuwählen, der optimal passt. Schliesslich ist es essenziell, dass sich alle im Team wohl fühlen. Wenn das gelingt, bedeutet dies eine enorme Steigerung der Kundenzufriedenheit, der Gruppenleiter-Förderung und der Lebensqualität unserer Mitarbeitenden und Lernenden.
Was ist Ihr Rezept für eine erfolgreiche Mitarbeiterführung?
Ich habe immer versucht, meinem Team den Rücken freizuhalten, damit es sich voll und ganz auf seine Arbeit konzentrieren kann. Und natürlich habe ich selbst in all den Jahren voll mit angepackt – draussen in den Gärten und Parks und bis vor Kurzem auch bei der Reinigung von Treppenhäusern und Büros. Auch in Bezug auf soziale und agogische Themen habe ich die Gruppenleiter im Hintergrund unterstützt. Darüber hinaus legte ich Wert auf eine offene, ehrliche Kommunikation. Man muss sich auch mal gegenseitig kritisch äussern dürfen und Probleme ausdiskutieren. Immer mit Respekt. Das ist viel zielführender, als Schwierigkeiten oder Fehler einfach unter den Teppich zu kehren. Ich bin überzeugt, dass diese Kultur unser Team weitergebrach hat.
Was war Ihnen persönlich in diesen 17 Jahren im Drahtzug besonders wichtig?
Für mich ist es entscheidend, dass Ökonomie, Ökologie und Soziales im Einklang sind bei dem, was ich tue. Jeden Abend reflektiere ich, ob einer der drei Faktoren zu kurz kam oder zu dominant war. Im Drahtzug war es eine Herausforderung die Balance zu finden und zu halten zwischen den hohen wirtschaftlichen Anforderungen, den Kundenbedürfnissen, den Zusammensetzungen der Teams sowie den individuellen Tages-Bedürfnissen unserer Mitarbeitenden.
Fällt Ihnen der Abschied vom Drahtzug schwer?
Nein, überhaupt nicht. Ich habe so viele meiner Ziele erreicht, insbesondere das Projekt Hedwigstrasse, und freue mich nun riesig auf die Zukunft. Ich bin überzeugt, dass ich meinen Nachfolgern eine Basis übergebe, auf der sie erfolgreich aufbauen können. Jetzt liegt es an ihnen, etwas daraus zu machen.
Haben Sie bereits Pläne oder Visionen für die kommende Zeit?
In erster Linie will ich gesund bleiben. Gerade in letzter Zeit ist mir bewusst geworden, wie fragil das Leben doch ist und dass wir alle eben nicht unendlich, sondern endlich sind. Umso mehr freue ich mich nun auf die neu gewonnene Zeit mit meiner Familie und mit guten Freunden. Endlich kann ich mich wieder meinem eigenen Garten widmen. Ausserdem stehen allfällige Projekte im Umweltschutz und in einer Stiftung an und ich möchte meinen Paläontologie-Kurs weiter verfolgen, um zusammen mit Studenten bei archäologischen Einsätzen mitzuwirken. Vielleicht werde ich mein Arabisch auffrischen, wieder Ballett tanzen oder ein Kinderbuch schreiben. Sie sehen, an Ideen mangelt es nicht. Aber ich lasse nun erstmal alles auf mich zukommen. Wer weiss, was die Zukunft alles bringen wird. Den Drahtzüglern und meinen ehemaligen Kundinnen und Kunden wünsche ich auf jeden Fall viel Erfolg und von Herzen nur das Beste.